Wer im Frühsommer in die Zentralschweiz reist, bekommt mit etwas Glück ein ganz besonderes Spektakel zu sehen: den Alpaufzug. Wenn Kühe und Geissen festlich geschmückt auf die Alp ziehen, beginnt nicht nur für die Tiere, sondern auch für die Sennenfamilien der Alpsommer. Der Alpaufzug ist mehr als nur ein Ortswechsel – er ist tief verwurzeltes Brauchtum und Ausdruck einer jahrhundertealten Kultur.
Der Alpaufzug ist gelebte Tradition
Mit dem Alpaufzug beginnt für Bergbauern, Sennen und Helfer die Sommerzeit auf der Alp. Während rund drei Monaten leben Mensch und Tier auf den höher gelegenen Weiden im Einklang mit der Natur. Die Tiere finden frisches Gras und wertvolle Kräuter auf den Bergwiesen, die Menschen bewirtschaften die Alp, stellen Käse her, pflegen das Land und halten eine Lebensweise aufrecht, die in unserer modernen Welt selten geworden ist. Doch der Alpaufzug ist auch eine Feier. Die Tiere werden mit Glocken (Trycheln), vielerorts mit Blumenkränzen und kunstvoll verzierten Kopfbändern geschmückt. Viele Familien tragen dabei ihre Tracht. Begleitet wird der Zug von Musik, Jodel und fröhlichen Zurufen. Der Alpaufzug ist öffentlich, aber keine eigentliche Touristenveranstaltung.
Wo und wann man den Alpaufzug erleben kann
Die Termine der Alpaufzüge variieren je nach Wetter, Schneelage und Region. Meist finden sie zwischen Ende Mai und Mitte Juni statt. Schöne Alpaufzüge finden an verschiedenen Orten in den Kantonen Uri, Nidwalden, Obwalden, Luzern und Schwyz statt. Wer rechtzeitig plant, kann den Viehtrieb entlang von Bergstrassen oder durch kleine Dörfer hautnah miterleben. Manchmal erlebt man auch ganz spontan während einer Wanderung oder eines Ausflugs eine kleinere Alpauffahrt. Es gibt aber auch Orte wie Engelberg oder Melchsee-Frutt, wo der Alpaufzug touristisch begleitet wird: Mit Verpflegungsständen, Musik, Marktständen und manchmal sogar geführten Wanderungen. Möchten Sie ein solches Fest erleben, können Sie sich bei den Tourismusbüros informieren, wann und wo ein Alpaufzug geplant ist.

Die Alpauffahrt – Bedeutung im Tal und in den Bergen
Für die Sennenfamilien ist der Alpaufzug ein Kraftakt – Tiere müssen vorbereitet, die Alphütten für den Sommer parat gemacht und Futtervorräte organisiert werden. Oft laufen sie bereits in den frühsten Morgenstunden los, viele Kilometer und Höhenmeter vor sich. Gleichzeitig ist es ein Moment des Stolzes. Wer dabei ist, erlebt echte Verbundenheit zur Natur und zu den Tieren. Auch die Kinder sind dabei, lernen Verantwortung und erleben, wie stark die Arbeit mit der Natur ihren Alltag prägt. Für die Talbevölkerung ist der Alpaufzug ein beliebter Anlass, um gemeinsam zu feiern, alte Bekannte zu treffen und ein Stück lebendige Tradition zu erleben. Viele Gemeinden pflegen das Brauchtum bewusst, weil es nicht nur Heimat vermittelt, sondern auch Besucher anzieht. Und manchmal sieht man einen betagten Bergbauern, der sich verstohlen eine Träne der Rührung aus den Augen wischt: Er erinnert sich wehmütig, wenn er die Jugend mit den Tieren Z’Alp ziehen sieht, daran wie er einst an deren Stelle war und sich auf den strengen, aber wundervollen Alpsommer freute.




Tipps für Besucher eines Alpaufzugs
Wer zum ersten Mal einen Alpaufzug besucht, sollte Folgendes beachten:
- Frühzeitig informieren, ob und wann der Zug stattfindet (meist wetterabhängig).
- Am Strassenrand oder auf Wanderwegen genügend Abstand zu Tieren und Menschen halten.
- Die Tiere nicht anfassen und nicht versuchen, Selfies mit ihnen zu machen.
- Respekt zeigen: Der Alpaufzug ist keine Show, sondern echte Arbeit.
- Wanderschuhe und wetterfeste Kleidung sind empfehlenswert.
- Kamera nicht vergessen – aber bitte diskret fotografieren und keinesfalls den Tieren im Weg stehen.
- Viele Familien verkaufen Käse und andere Alpprodukte direkt vor Ort – eine schöne Gelegenheit für ein Mitbringsel.
Fazit: Der Alpaufzug in der Zentralschweiz ist eine wunderbare Möglichkeit, ländliche Kultur authentisch zu erleben. Er zeigt eindrücklich, wie Mensch, Tier und Natur verbunden sind und wie wichtig die Bewahrung solch einzigartiger Bräuche für die regionale Identität ist.